17. September 2020 - 0:30 / Ausstellung / Video / Installation 
18. September 2020 30. September 2020

Den mit 5.000 Euro dotierten Birgit-Jürgenssen-Preis erhält in diesem Jahr Jannik Franzen. Mit Jannik Franzen wird ein Künstler ausgezeichnet, dessen Arbeit filmische Analysen und performative Elemente auf komplexe Art und Weise verknüpft. Der Künstler bewegt sich mit seinen filmischen Arbeiten in Museen, Ausstellungen oder auch der Akademie der bildenden Künste Wien, untersucht dabei immer das Verhältnis von Körper und Raum und stellt sie dem institutionellen Rahmen gegenüber.

Die Institutionen treten in Franzens Arbeiten als aktive Protagonist_innen auf, deren fragwürdiges politisches Handeln deutlich gemacht wird – wie zum Beispiel die Bedeutung künstlerischer Methoden für die Herstellung rassistischer Propaganda ("Wien-Liberec") oder auch kolonialer Forschung ("Körper formen"). Gemeinsam ist allen Arbeiten von Jannik Franzen, dass normierte, historische Erzählungen als immer noch unhinterfragter Teil unserer gegenwärtigen, institutionellen Strukturen und Geschichtswahrnehmung.

Der im Gedenken an die früh verstorbene Künstlerin und langjährige Lehrende an der Akademie Birgit Jürgenssen verliehene Preis wir schon zum siebzehnten Mal im Rahmen einer Kooperation der Akademie der bildenden Künste Wien mit der Sektion für Kunst und Kultur im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport und dem Galeristen Hubert Winter vergeben.

In seinen recherchebasierten Arbeiten spürt der diesjährige Birgit-Jürgenssen-Preisträger Jannik Franzen institutionellen und gesellschaftlichen Praktiken der Klassifizierung und Normierung nach, die mit der Konstruktion von Geschlecht oder der Herstellung rassistischer Kategorien verbunden sind.

Im Zentrum der in Zusammenarbeit mit "Ins A Kromminga" entwickelten Installation "Labor Dr.___ , 2012–2020" stehen objektivierende Untersuchungsmethoden der Sexualwissenschaft, die bemüht sind, die Zwei-Geschlechter-Norm wissenschaftlich zu untermauern und medizinisch herzustellen. Bis heute wirken stereotype Körper- und Bewegungsbilder in der Pathologisierung von Inter- und Trans-Personen. Durch ironische Überzeichnung werden in der Installation und der zugehörigen Videoarbeit Labor- und Feldstudien mit Dr. Lorès die heteronormativen Praktiken der Medizin und Psychologie spielerisch unterwandert. In ihrer kritischen Auseinandersetzung drehen Jannik Franzen und Ins A Kromminga den forschenden Blick um und richten ihn auf die medizinische Praxis selbst, die ebenso absurde wie gewaltvolle Züge trägt.

Diskriminierende Vermessungs- und Normierungspraktiken und die sie stützenden Institutionen stehen auch im Mittelpunkt der Videoarbeiten "Wien – Liberec, 2019", "Körper formen, 2018" und "Geisterbahn, 2018". Die drei Videoarbeiten entstanden im Zuge der Auseinandersetzung von Jannik Franzen mit den Verbindungen des Anthropologen Rudolf Pöch (1870–1921) zur Akademie der bildenden Künste Wien. Im Kontext rassistischer Forschung vermaßen Pöch und seine Mitarbeiter zwischen 1915 und 1918 Köpfe von mehr als 7.000 Kriegsgefangenen in österreichisch-ungarischen und deutschen Lagern. Franzens Arbeiten gleichen einer Spurensuche an den historischen Schauplätzen dieser Geschichte: der tschechischen Stadt Liberec, dem Wiener Prater und auch der ehemaligen Gipsformerei der Akademie, an der Pöchs Assistenten das Handwerk des Abformens menschlicher Körper gelernt hatten.

Jannik Franzen ist Künstler mit Schwerpunkt Video und Installation und lebt seit 2014 in Wien. Er studierte Psychologie an der Freien Universität Berlin und absolvierte das Masterstudium Critical Studies an der Akademie der bildenden Künste Wien. Zurzeit studiert er dort im Fachbereich Video und Videoinstallation bei Dorit Margreiter. Seine recherchebasierten Arbeiten hinterfragen die Rolle von Wissenschaft und Institutionen bei der Herstellung sozialer Normen und Ausschlüsse. Sie befassen sich mit dem Zusammenwirken von Anthropologie und Kunst bei rassistischer Forschung im Ersten Weltkrieg oder medizinischer Körper- und Geschlechternormierung.

Birgit-Jürgenssen-Preisträger 2020: Jannik Franzen
18. September 2020 bis 30. September 2020

Akademie der bildenden Künste
Schillerplatz 3
A - 1010 Wien

W: https://www.akbild.ac.at

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  •  18. September 2020 30. September 2020 /
Jannik Franzen und Ines A Kromminga, Labor Dr____, 2012-2020, Videostill, © The Artists
Jannik Franzen und Ines A Kromminga, Labor Dr____, 2012-2020, Videostill, © The Artists
Jannik Franzen, Körper formen, 2018, Videostill, © Jannik Franzen
Jannik Franzen, Körper formen, 2018, Videostill, © Jannik Franzen
Jannik Franzen, Wien – Liberec, 2019, Videostill, © Jannik Franzen
Jannik Franzen, Wien – Liberec, 2019, Videostill, © Jannik Franzen