Detour

Ein Mann mit Dreitagebart erinnert sich in einer Bar in Nevada, wie es ihn hierher verschlug. - Alles ist schon verloren, wenn Edgar G. Ulmers Film noir beginnt, ein blindes Schicksal hat erbarmungslos zugeschlagen. Bei Koch Media ist dieses 1945 gedrehte, düstere kleine Meisterwerk in der Reihe "Film Noir Collection" auf DVD erschienen.
Ein Mann geht einer nächtlichen Landstraße entlang, wird mitgenommen, landet in einer Bar. Der Gast, der ihn anspricht, nervt ihn, das Lied aus der Jukebox hält er kaum aus, denn "I Can´t Believe Your´re in Love With Me" löst bei ihm Erinnerungen aus und mit dem Blick in die Kaffeetasse setzt die Rückblende ein.
Nie lässt das Voice-over von Al (Tom Neal), das die Rückblende begleitet und ergänzt, vergessen, dass der Blick retrospektiv und alles schon verloren ist. Von einer Ehe mit der Sängerin Sue träumte der Pianist in New York, doch diese wollte Karriere in Hollywood machen.
Bald will er ihr folgen, reist aus Geldnot als Autostopper. In Arizona findet er eine gute Mitfahrgelegenheit, doch dann stirbt der Lenker. Ungeklärt bleibt die Todesursache, vielleicht war es ein Herzinfarkt. Weil Al aber glaubt, dass die Polizei ihn des Mordes verdächtigen wird, versteckt er die Leiche, nimmt den Wagen und die Identität des Toten an. Auch Geld findet er und alles könnte gut werden, doch dann nimmt er eine Anhalterin (Ann Savage) mit, die den Verstorbenen kannte und Al unter Druck setzt…
Unerbittlich schlägt das Schicksal zu. Nichts Böses hat Al im Sinn, ist zur falschen Zeit am falschen Ort und trifft so die falschen Leute. Und doch ist er auch handelndes Subjekt, wenn er die Identität und auch Auto und Geld eines Toten annimmt. Danach freilich ist er endgültig der Frau ausgeliefert, die ihn durchschaut, kann sich ihrem Würgegriff nicht mehr entziehen.
Unerbittlich geht es für Al Schritt für Schritt abwärts und alles scheint gesagt, wenn der Film zur Ausgangssituation zurückkehrt und doch schlägt das Schicksal nochmals zu, als er auf die nächtliche Straße tritt…
Ein kleiner B-Film ist Edgar G. Ulmers Verfilmung von Martin Goldsmiths 1939 erschienenem Roman und wurde mit einem Budget von 117.000 Dollar an rund 20 Tagen – und wohl nicht wie von Ulmer selbst erzählt mit 30.000 Dollar an sechs Tagen - im Sommer 1945 gedreht. An Schauplätzen benötigte der Exil-Österreicher kaum mehr als ein Hotelzimmer und ein Auto und kam weitgehend auch mit vier Schauspielern aus.
Beim Kinostart erhielt "Detour" zwar gute Kritiken, war aber kein kommerzieller Erfolg. Gerade die Beschränkungen erweisen sich letztlich als große Qualität, denn in seiner Kompaktheit und seiner konsequent düsteren Atmosphäre und bedingungslosen Hoffnungslosigkeit ist dies ein Prototyp des Film noir. Nicht ohne Grund äußerten sich unter anderem Francois Truffaut, Martin Scorsese, Paul Schrader, Wim Wenders und Richard Linklater begeistert über "Detour".
Von der fatalistischen Rückblende über die geldgierige Frau, die den Mann ins Verderben stürzt, bis zu der Dominanz der Nachtszenen ist in diesem 67-minütigen weniger schwarzen als vielmehr grauen Rohdiamanten alles da, was diese Filmrichtung prägt. Nur ist hier alles etwas schmutziger, härter, düsterer als in den glamouröseren A-Filmen.
Die Bildqualität der bei Koch Media in der Reihe Film Noir Collection erschienenen DVD lässt – wohl altersbedingt – teilweise zu wünschen übrig. An Sprachversionen bietet die DVD die englische Originalfassung mit deutschen Untertiteln, als Extras eine Bildergalerie und ein zwölfseitiges Booklet von Thomas Willmann, das über die Biographien und Karriere des Regisseurs und des Hauptdarstellers, aber auch über die Entstehungsgeschichte des Films und die Rolle der B-Movies informiert.
Ausschnitte aus "Detour"