3. September 2015 - 5:30 / Walter Gasperi / DVD Tipp
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Mutation durch Radioaktivität war ein zentrales Thema des US-Horrorfilms der 1950er Jahre. Statt von Tieren, die zu gefährlichen Monstern wachsen, erzählt Jack Arnold in seinem vielleicht schönsten Film von einem kontinuierlich schrumpfenden Mann. Bei Koch Media ist dieses Meisterwerk auf Blu-ray erschienen.

Kurz gehalten ist die Exposition, in der Scott Carey (Grant Williams) während eines Urlaubs auf seinem Boot in eine radioaktive Wolke gerät, während seine Frau (Randy Stewart) unter Deck ist. Nicht weiter beachtet wird das Ereignis, doch sechs Monate später stellt Scott fest, dass ihm seine Hosen und Hemden zu groß sind. Ein Arztbesuch führt zu langwierigen Untersuchungen, doch zunächst zu keinem Ergebnis, während Scott immer weiter schrumpft.

Mit bestechender Ökonomie entwickelt Jack Arnold in seinem 1957 nach einer Vorlage von Science-Fiction-Autor Richard Matheson ("I Am Legend") gedrehte Film die Handlung. Überzeugend lässt er seinen Protagonisten, der den Zuschauer als Ich-Erzähler in seine Perspektive versetzt, zwischen Verzweiflung, Hoffnung und letztlich doch unbändigem Lebenswillen schwanken, sorgt immer wieder für Wendungen und lässt Scott bald aus der Ehe fliehen und kurzzeitig eine Romanze mit einer Liliputanerin beginnen, dann doch wieder zu seiner Frau zurückkehren, als er weiter schrumpft.

Wie im Verlust des Eherings der Verlust seiner Potenz und das Ende der sexuellen Beziehung zu seiner Frau angedeutet werden, so im sich wandelnden Größenverhältnis der Wandel der Geschlechterrollen. Nicht mehr der Mann sondern die Frau, die sich schon in der Eröffnungsszene den Befehlen des Mannes nicht fügen will, ist bestimmend, wenn sie zunächst beim Küssen nicht mehr auf die Zehenspitzen stehen muss, ihn bald wie ein Kind behandeln kann und ihn schließlich in einem Puppenhaus unterbringt.

Zunehmend zieht sich Scott dabei auf sich selbst zurück, sodass beinahe ohne Dialog, nur mit wenig Voice-over in der zweiten Hälfte erzählt wird. Perfekt wird der Zuschauer auch durch die Konzentration auf diesen schrumpfenden Mann in die Handlung involviert, keine Nebenfiguren oder Schlenker gibt es hier.

Rein mit filmischen Mitteln erzählt Arnold, wenn sich stets neue Gefahren auftun. Muss Scott zunächst gegen eine übermächtige Katze kämpfen, sieht er sich später im Keller mit unüberwindlichen Hindernisse wie einem hohen Regal und einer Flutwelle konfrontiert und muss schließlich gegen eine Spinne – ebenso wie in der Katze kann man darin eine Metapher für die Frau sehen – kämpfen. Umso überraschender ist dann nach kompakten 80 Minuten das Ende, wenn der Winzling in einer ungewöhnlichen metaphysischen Wende nicht nur innere Freiheit gewinnt, indem er sich in sein Schicksal fügt, sondern sich auch physisch befreit, im wahrsten Sinne des Wortes das Weite sucht.

Für einmal spielt hier ein Science-Fiction/Horrorfilm nicht mit der Gefahr von ins unermesslich gewachsenen Tieren, sondern lässt den Menschen schrumpfen. In dieser Ausgesetztheit des Protagonisten wird "The Incredible Shrinking Man" in seiner konsequenten Inszenierung zur packenden Parabel über den ewigen Existenzkampf des Menschen, in dem das nackte Überleben letztlich das Einzige ist, was zählt.

Verpackt wird der philosophische Gehalt freilich in eine spannend, mit Einfallsreichtum und perfekter Tricktechnik erzählte Geschichte, die ihren Reiz auch dadurch gewinnt, dass hier nicht viel Phantastisches nötig ist, sondern einfach Alltagsgegenstände wie Möbel, ein Telefon, Stecknadeln oder Streichhölzer ganz andere Dimensionen erhalten, harmlose Haustiere zu tödlichen Feinden werden.

An Sprachversionen bietet die bei Koch Media erschienene Blu-ray die englische Original- und die ursprüngliche sowie eine - allerdings nur an wenigen Stellen - überarbeitete deutsche Synchronfassung. Dazu können englische und deutsche Untertitel zugeschaltet werden. An Extras gibt es neben Bildergalerie, Teaser und Trailer eine Super-8-Fassung sowie ein Interview mit Jack Arnold.

Trailer zu "Die unglaubliche Geschichte des Mr. C"



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