16. Oktober 2019 - 5:36 / Ausstellung / Bildhauerei 
18. Oktober 2019 14. Dezember 2019

Idyllisch, beschleunigungsresistent und weltentlegen: solche Zuschreibungen haften der „Spezialschule für Bildhauerei“ im Prater seit ihrer Gründung 1913 an – und halten sich bis heute. Gerade im Vergleich mit dem Schillerplatz, dem repräsentativen, mit der Akademie synonym gesetzten Ort wird deutlich, wie eine gewisse Randständigkeit diese „Bildhauerburg“ im Prater prägt: Dort, am Schillerplatz, das geschäftige Zentrum, hier entspannte Prater-Donaukanal-Atmosphäre; dort der Asphalt im Innenhof, hier ein florierender Garten; dort zentralperspektivische bauliche Gleichschaltung, hier drei efeubewachsene asymmetrische Trakte; dort zum Rundgang aufwendig organisierte Partys, hier zurückgelehntes Wodkafrühstück.

Die Ausstellung Spezialschule für Bildhauerei versammelt künstlerische Positionen, die auf verschiedene Weise eine Verbindung zur Geschichte des Gebäudes herstellen. Der Titel „Spezialschule“ rührt dabei nicht nur von der früheren offiziellen Bezeichnung der Schule, die, damals gedacht als Abgrenzung zur Allgemeinen Bildhauereischule, noch heute am Gebäude lesbar ist. Einiges ist, wie die Ausstellung zeigt, tatsächlich „speziell“ – und doch vieles davon charakteristisch für die Akademie bzw. eine Kunstuniversität in Europa: Ein Video von Marion Porten beschäftigt sich mit dem Ausschluss von Frauen vom Kunststudium bis 1920, Berhanu Ashagrie verhandelt eine Verbindung zwischen der Wiener Bildhauereischule und jener in Addis Abeba, Samuel Seger widmet sich dem Abnabelungsprozess nach dem Studium – insgesamt werden 25 künstlerische Positionen auf zwei Stockwerken präsentiert. Durch den medial wie inhaltlich vielfältigen Parcours führt ein Display, das mittels originalgetreuer Pappmaschee-Nachbildungen behauener Steine die Arbeitsatmosphäre im Innenhof des Ateliers in den Ausstellungsraum überträgt.

Für das Projekt verantwortlich zeichnet sich ein Kollektiv an Lehrenden und (ehemaligen) Studierenden, das sich seit vier Jahren mit der Thematik auseinandersetzt.

Parallel zur Ausstellung erscheint ein zweisprachiges Buch, das sich der Geschichte der Spezialschule für Bildhauerei im Prater in Form von Monatsminiaturen aus dem Gründungsjahr des Gebäudes 1913 nähert. Die Publikation nimmt ausgewählte Ereignisse, Vorkommnisse und Sachverhalte der einzelnen Monate dieses Jahres zum Anlass, relevante Stränge und Episoden der Geschichte dieses Gebäudes und seiner Protagonist_innen zu thematisieren. Behandelt werden darin unter anderem die konfliktreiche Planungs- und Umzugsphase, der Arbeitsalltag der Dienerschaft, die Ablehnung von Frauen zum Studium, die koloniale Verwobenheit des angrenzenden Praters und der Studienalltag der ersten Jahre: „Vormittags modellieren, nachmittags meisseln!“

Das Projekt Spezialschule für Bildhauerei hatte seine Anfänge in Lehrveranstaltungen an der Akademie der bildenden Künste Wien. Im Juni 2015 realisierte Lone Haugaard Madsen ein Konzept, das die Veränderungen im Bildhauereigebäude nach den Renovierungsarbeiten kritisch beleuchtete und Arbeiten dazu am Ende des Monats in einer Ausstellung im ehemaligen Eingangsbereich Kurzbauergasse 9A zeigte.

Spezialschule für Bildhauerei
18. Oktober bis 14. Dezember 2019
xE – Ausstellungsraum der Akademie der bildenden Künste Wien, Eschenbachgasse 11, Ecke Getreidemarkt, 1010 Wien

Akademie der bildenden Künste
Schillerplatz 3
A - 1010 Wien

W: https://www.akbild.ac.at

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  •  18. Oktober 2019 14. Dezember 2019 /
Tina Bepperling: Goodnight nobody, 2000 © Tina Bepperling
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Jannik Franzen, Wien–Liberec (Still), 2019 © Jannik Franzen
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Teresa Feodorowna Ries beim Bildhauerei-Studium, kurz vor 1900 Foto: Nachlass Teresa Feodorowna Ries Im Besitz von Valerie Habsburg.
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Pille-Riin Jaik: So, I weed, 2019 © Pille-Riin Jaik
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Heimo Zobernig: Ohne Titel, 1993 © Bildrecht, Wien, 2019 Foto: Archiv Heimo Zobernig
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