8. Mai 2007 - 9:30 / Walter Gasperi / Filmriss
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Das rote Kostüm tauscht Peter Parker – zumindest vorübergehend – gegen ein schwarzes. Den Zuwachs an physischer Kraft bezahlt der Superheld aber mit einem Verlust an Moralität und seine dunkle Seite tritt zu Tage. – Wie Spiderman gerät aber auch Sam Raimis Blockbuster ins Trudeln, denn trotz mitreißender Actionszenen beeinträchtigt die Fülle an Handlungssträngen die erzählerische Linie.

Schon die brillante Vorspannsequenz deutet mit zersplitterten Spiegeln auf das sich durch den Film ziehende Thema der gespaltenen Persönlichkeit hin. Auch im Laufe des Films wird sich nicht nur Peter Parker alias Spiderman, sondern auch sein Jugendfreund Harry Osborn, der Parker seit dem Tod seines Vaters hasst, im Spiegel betrachten. Und die Frage nach der Identität stellt sich auch bei dem aus dem Gefängnis entflohenen Marko Flint, dessen ganze Fürsorge seiner Tochter gilt, und der dann doch zu einer Bedrohung für New York wird. Wie Flint nach einem physikalischen Experiment förmlich als neuer Mensch aus dem Sand ersteht und wie er später wie Goyas »Der Gigant« inmitten der Straßenschluchten des »Big Apple« wütet – das sind große Kinobilder.

Damit das Böse, das tief im netten, aber linkischen jungen Peter Parker schlummert wie in Dr. Jekyll, ausbrechen kann, ist ein Katalysator nötig, der sich in einer gallertartigen außerirdischen Masse findet. Durch den Kontakt mit dieser wird Peter zunehmend aggressiver und spielt sich als Macho auf. Seine Freundin Mary-Jane kann sich die Wandlung allerdings nicht erklären und es kommt zur Krise. Und dann gibt es auch noch einen Fotoreporter, der Peter seinen Job beim »Daily Bugle« streitig machen will…

Die helle Freude kann man an den tricktechnisch perfekten Actionszenen haben. Atemberaubenden Drive entwickelt »Spider-Man 3« mit simulierten Kamerafahrten und dynamischem Schnitt bei den spektakulären Verfolgungsjagden durch die Straßenschluchten von New York. Nichts lassen diese Szenen zu wünschen übrig. Hoch ist auch das Erzähltempo, doch letztlich packt Sam Raimi zu viel in seinen Blockbuster, wenn er von einem beruflichen Konkurrenzkampf, einem Familienvater, der durch unglückliche Umstände auf die schiefe Bahn geriet, einem Konflikt unter Jugendfreunden, einer Beziehungs- und einer Identitätskrise erzählt und Actionfilm, Melodram und Psychodrama kreuzt.

Nichts wird richtig ausgeführt, die Handlungsstränge fransen aus und, wie Spider-Man durch die Straßenschluchten hüpft, so springt Raimi zwischen den Themen hin und her, verliert Figuren völlig aus den Augen und holt sie plötzlich wieder in den Film zurück. Die dunkle Dimension Parkers wird zudem nicht ausgelotet, da man Tobey Maguire zwar den netten Jungen, nicht aber den aggressiven Fiesling abnimmt. Trotz oder gerade wegen seines offensiven Spiels wirkt Maguire in diesen Szenen eher wie die Karikatur eines dämonischen Menschen. Zu leicht erfolgt auch seine Rückverwandlung durch bloßes Ablegen des schwarzen Kostüms.

Das Thema der menschlichen Willensfreiheit und der Notwendigkeit Entscheidungen zu fällen wird zwar auf allen Ebenen angerissen, doch wie für einen Blockbuster nicht anders zu erwarten, werden diese philosophischen Fragen letztlich nicht zwingend diskutiert. Konnten zudem 2004 in »Spiderman 2« die Sätze »Große Macht verlangt nach großer Verantwortung« und »Los, schnapp ihn, Tiger!« als konkretes Bekenntnis zur Rolle der USA als Weltpolizist und zum Irakkrieg gelesen werden, so fehlen in diesem Sequel die politischen Implikationen. Und auch die Selbstironie ist deutlich zurückgenommen, geht fast unter in der Handlungsfülle.

Doch trotz dieser Mängel bietet »Spider-Man 3«, dessen Produktion angeblich 300 Millionen Dollar verschlungen hat, immer noch lustvoll inszeniertes, technisch brillantes und abgesehen von kleinen Längen über 140 Minuten bestens unterhaltendes Popcornkino.

Die Meinung von Gastautoren muss nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen. (red)



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Spiderman 3